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Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für die Verantwortungsgemeinschaft

Im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode haben die Regierungsparteien in den Zeilen 3386 ff. Folgendes vereinbart: „Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen.“ Das vorliegende Eckpunktepapier unterbreitet einen Vorschlag zur Umsetzung dieser Vereinbarung.

  1. Es soll ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, um persönliche Näheverhältnisse
    jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe durch einen mehrseitigen Verantwortungsgemeinschaftsvertrag rechtlich abzusichern. Der besondere Schutz der Ehe gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes bleibt davon unberührt.
  2. Welche Rechte und Rechtsfolgen die Verantwortungsgemeinschaft nach sich zieht, soll sich nach dem Maß der gewünschten Verantwortungsübernahme richten; die Parteien sollen dazu zwischen Stufen und Modulen mit klar definierten Rechtsfolgen auswählen können.
  3. Die Verantwortungsgemeinschaft soll keine Rechtsfolgen nach sich ziehen im Verhältnis
    der Partner zu Kindern (zum Beispiel Abstammung, Adoption, Sorgerecht), im Namensrecht und im Erbrecht.
  4. Eine Verantwortungsgemeinschaft soll keine Steuererleichterungen bewirken.
  5. Eine Verantwortungsgemeinschaft soll kein Recht auf eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Arbeitserlaubnis begründen.

1. Regelungsstandort
Der Vertrag über die Verantwortungsgemeinschaft soll in einem „Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft“ geregelt werden. Dieses wird in einen Allgemeinen Teil und einen Besonderen Teil gegliedert. Der Abschnitt „Allgemeiner Teil“ soll grundsätzliche Regeln zum Abschluss und zur Auflösung sowie zu den allgemeinen Wirkungen des Vertrages enthalten. Im folgenden Abschnitt „Besonderer Teil“ sollen typisierte, zusätzlich abschließbare Module für besondere Arten der Verantwortungsübernahme geregelt werden.

2. Allgemeiner Teil
a) Voraussetzungen einer Verantwortungsgemeinschaft

aa) Maximalgröße
Eine Verantwortungsgemeinschaft soll maximal sechs Vertragspartner haben können.

bb) Eigenschaften der Vertragspartner
Nur volljährige, geschäftsfähige Personen sollen einen Vertrag über eine Verantwortungsgemeinschaft abschließen können. Eine Person soll nicht gleichzeitig Vertragspartner mehrerer Verträge über eine Verantwortungsgemeinschaft sein können. Personen, die miteinander verheiratet sind, sollen nicht ausschließlich miteinander einen Vertrag über eine Verantwortungsgemeinschaft abschließen können. Sie sollen aber einzeln oder zusammen Vertragspartner einer Verantwortungsgemeinschaft mit weiteren Personen sein können. Das Verhältnis der Ehegatten untereinander soll von den Rechtswirkungen des Vertragsüber die Verantwortungsgemeinschaft unberührt bleiben.

cc) Erfordernis eines tatsächlichen persönlichen Näheverhältnisses
Ein Vertrag über eine Verantwortungsgemeinschaft soll von Personen geschlossen werden können, die ein tatsächliches persönliches Näheverhältnis zueinander haben und dieses im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft fortführen wollen. Das Näheverhältnis wird nicht staatlich kontrolliert.

dd) Nichtigkeit bei Gesetzes- oder Sittenverstoß
Ein Vertrag über eine Verantwortungsgemeinschaft wird gemäß den §§ 134, 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nichtig sein, wenn die Verantwortungsgemeinschaft auch mit dem Ziel der Verfolgung von gesetzes- oder sittenwidrigen Zwecken geschlossen oder genutzt werden soll.

ee) Erfordernis der notariellen Beurkundung
Der Vertrag über die Verantwortungsgemeinschaft soll der notariellen Beurkundung bedürfen. Dieses Formerfordernis, das beispielsweise auch für Eheverträge vorgesehen ist, gewährleistet, dass die Vertragschließenden eingehend aufgeklärt und beraten werden und dass ihnen die persönlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der von ihnen gewünschten Verantwortungsgemeinschaft in ihrer konkreten Ausgestaltung vor Augen geführt werden. Eine Beurkundung oder Registrierung beim Standesamt ist nicht vorgesehen.

b) Rechtsfolgen
Durch eine Verantwortungsgemeinschaft sollen keine durchsetzbaren Rechte auf und keine durchsetzbaren Pflichten zur Verantwortungsübernahme begründet werden. Insbesondere sollen durch eine Verantwortungsgemeinschaft keine familienrechtlichen Dienst- und Beistandspflichten – wie zwischen Ehegatten und Kindern und Eltern – entstehen. Vorgesehen sind stattdessen die nachfolgend umrissenen Rechtsfolgen:

aa) Grundstufe

  • Zwischen den Vertragspartnern einer Verantwortungsgemeinschaft sollen diejenigen rechtlichen Vorschriften zur Anwendung gelangen, die an das Bestehen einer persönlichen Nähebeziehung anknüpfen. Daraus folgt zum Beispiel:
    Vertragspartner einer Verantwortungsgemeinschaft können bei der Auswahl eines
    rechtlichen Betreuers Berücksichtigung finden (vgl. § 1816 BGB).
  • Zwischen Vertragspartnern einer Verantwortungsgemeinschaft kann die Möglichkeit der Organspende bestehen (vgl. § 8 des Transplantationsgesetzes).


bb) Aufbaustufe
Ob die Verantwortungsgemeinschaft noch weitere Rechtsfolgen zeitigt – und ggf. welche –, soll vom Willen der Vertragsparteien abhängen: Die Vertragsparteien sollen insoweit zwischen verschiedenen Modulen mit klar bestimmten Rechtsfolgen wählen können. Die Module sollen beliebig miteinander kombiniert werden können. Sie sollen nicht notwendigerweise im Verhältnis zwischen allen Vertragspartnern zur Anwendung gelangen müssen. Das Modul („Zugewinngemeinschaft“) soll nur vereinbart werden können, wenn die Verantwortungsgemeinschaft aus lediglich zwei Vertragspartnern besteht. Die einzelnen Module sollen im Besonderen Teil geregelt werden.

c) Änderungen, Ausscheiden, Auflösung
Eine Vertragsänderung soll jederzeit konsensual möglich sein. So sollen sowohl die Stufen wie auch die Module sowie die Vertragspartner jederzeit konsensual begrenzt, geändert und erweitert werden können. Auch eine Vertragsauflösung soll jederzeit konsensual möglich sein.
Daneben soll auch eine Kündigung einzelner Partner durch einseitige Erklärung möglich und nicht fristgebunden sein. Jede Vertragsänderung, die eine Wahl zusätzlicher Module oder eine Erweiterung des Partnerbestands beinhaltet, soll – wie der ursprüngliche Vertragsschluss – der notariellen Beurkundung bedürfen. Es soll geprüft werden, ob für die Abwahl einzelner Module, die Auflösung oder die Kündigung des VGM-Vertrags die elektronische Form genügt. Bei Tod oder Kündigung eines Vertragspartners der Verantwortungsgemeinschaft soll diese eine Fortsetzung mit den verbliebenen Vertragspartnern finden.

Im Besonderen Teil sollen vier typisierte, zusätzlich abschließbare Module als besondere Art der Verantwortungsgemeinschaft geregelt werden.

a) Modul 1 „Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten“
Durch den zusätzlichen Abschluss des Moduls „Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten“ soll in einer gesundheitlichen Notsituation jeder Partner der Verantwortungsgemeinschaft entsprechend dem Ehegattennotvertretungsrecht des § 1358 BGB Auskunft von behandelnden Ärzten verlangen und den oder die anderen Partner vertreten können.

b) Modul 2 „Zusammenleben“
Es soll eine Spezialnorm zur vorübergehenden Wohnungsüberlassung bei Beendigung der Verantwortungsgemeinschaft nach dem Vorbild des § 1361b BGB geschaffen werden. Zwecks Erleichterung des Alltags sollen sich die Partner im Falle des räumlichen Zusammenlebens – unabhängig davon, ob sie grundsätzlich zusammen wirtschaften oder nicht – eine gegenseitige Verpflichtungsermächtigung im Hinblick auf die Haushaltsführung einräumen können. Kraft dieser soll jeder Partner berechtigt sein, bei Bedarf Grundnahrungsmittel und notwendige Haushaltsartikel mit Wirkung für und gegen alle zu kaufen. Ob die Partner diese Befugnis wahrnehmen und wie sie gegebenenfalls die daraus entstehenden Kosten im Innenverhältnis aufteilen, soll ihnen selbstbestimmt überlassen bleiben und soll im Vertrag über die Verantwortungsgemeinschaft eigenständig geregelt werden können. Die Wahl dieses Moduls soll die Partner einer – ggf. auch mehr als zwei Personen umfassenden – Verantwortungsgemeinschaft aber nicht automatisch zu einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft machen, da das zum Beispiel in einer bloßen Wohngemeinschaft von Senioren nicht sachgerecht sein dürfte. Es soll stets im Einzelfall zu prüfen sein, ob und falls ja, zwischen welchen Partnern eine Einstandsgemeinschaft im Sinne der §§ 7 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe c, Absatz 3 Buchstabe a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gegeben ist.

c) Modul 3 „Pflege und Fürsorge“
Bei der zusätzlichen Vereinbarung des Moduls „Pflege und Fürsorge“ soll keine Verpflichtung, die anderen Vertragspartner der Verantwortungsgemeinschaft zu pflegen, geschaffen werden. Diese besondere Form der persönlichen Verantwortungsübernahme soll aber gefördert werden. Es wird daher geprüft werden, inwieweit im Fall der tatsächlichen und nicht gewerbsmäßigen Erbringung von Pflegeleistungen die pflegebedürftigen Partner nahen Angehörigen im Sinne des § 7 Absatz 3 des Pflegezeitgesetzes gleichgestellt werden können. Ggf. könnten die sie pflegenden Partner, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere Freistellung von ihrer beruflichen Tätigkeit und finanzielle Unterstützung beanspruchen.

d) Modul 4 „Zugewinngemeinschaft“
Die zusätzliche Vereinbarung des Moduls „Zugewinngemeinschaft“ steht nur zweiseitigen Verantwortungsgemeinschaften offen, d.h. nur solchen mit lediglich zwei Vertragspartnern. Wird das Modul gewählt, sollen die für Ehegatten geltenden Regelungen über die Zugewinngemeinschaft entsprechende Anwendung finden. Das Modul soll von einer Person, die verheiratet ist, nicht vertraglich vereinbart werden können; so soll eine Kollision mit dem ehelichen Güterrecht vermieden werden. Die steuerlichen Vorschriften für Ehegatten sollen keine Anwendung auf die Verantwortungsgemeinschaft finden. Daher sollen Ausgleichsforderungen bei der Verantwortungsgemeinschaft der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen und nicht durch das Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetz steuerlich begünstigt werden. Eine Ausweitung der Grunderwerbsteuer-Befreiungen auf die Verantwortungsgemeinschaft ist nicht vorgesehen. Es soll geprüft werden, ob bei Wahl des Moduls „Zugewinngemeinschaft“ auch Rentensplitting nach § 120a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermöglicht werden kann.

Soweit die Verantwortungsgemeinschaft in den Wirkungen einer Betreuungsverfügung (§ 1816 Absatz 2 Satz 4 BGB) oder dem Ehegattennotvertretungsrecht (§ 1358 BGB) entspricht, soll sie in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen werden. Näher zu prüfen ist, inwieweit eine Registrierung anderer Module angezeigt und möglich ist. Diese würde aber ebenfalls außerhalb des Standesamtswesens erfolgen.

Die Umsetzung des Vorhabens erfolgt im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

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Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für die Verantwortungsgemeinschaft

Verantwortungsgemeinschaft

Die Eckpunkte zur Verantwortungsgemeinschaft: kurze Zusammenfassung

Kurzzusammenfassung der Eckpunkte zur Verantwortungsgemeinschaft

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